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Kleines Plädoyer für mehr Faktentreue im Zigarren-Journalismus

#HISTORISCHES #ZIGARREN 23. August 2013

Das Online-Magazin CIGARintern hat in den beiden letzten Ausgaben die Geschichte der Marke Cohiba nacherzählt (Ausgabe 17 und Ausgabe 19). Das Unterfangen ist löblich und das Magazin kostenlos. Allerdings präsentiert der Text viele historische Details, die nicht durch Quellen belegt sind und sich wohl auch nicht belegen lassen. Deshalb ist es meines Erachtens nötig, auf einige problematische Stellen hinzuweisen.

In jene Zeit der Irrungen und Wirrungen passt denn auch eine Entscheidung des Máximo Líders, als er, wie er glaubt, auf die brillante Idee kommt, nur noch eine einzige Havanna-Marke herstellen zu lassen. (..) ALS ›SIBONEY‹ GETAUFT, soll also die einzige Havanna-Marke fortan den Ruhm kubanischer Cigarrenmacherkunst in alle Welt tragen. Das ehrgeizige Vorhaben geht gründlich daneben – die Absatzzahlen der exportierten Havannas, vertreten allein durch die »Aushänge-Cigarre«, gehen rapide zurück.
Vermutlich handelt es sich hierbei um ein falsches Gerücht. Für die Einheitsmarke Siboney gibt es keine historischen Belege, die Umstellung auf eine Einheitsmarke ist in keinem historischen Katalog dokumentiert. Fidel Castro selber hat diese Aussage in einem Cigar Aficionado-Interview von 1994 dementiert. Vermutlich stützt sich die zitierte Darstellung auf Aussagen von Zino Davidoff. Hier wäre es hilfreich, wenn der Autor seine Geschichte mit einer Quelle belegen würde. Wenn es diese Quelle gibt: Fantastisch. Dann werden die Zigarren-Geschichtsbücher umgeschrieben.
ES IST KEIN GERINGERER als Che Guevara, Weggefährte Castros zu Zeiten des revolutionären Kampfes und strategischer Kopf der Guerilla-Bewegung, der vom Máximo Líder den Auftrag erhält, das »Unternehmen Cohiba« zu einem guten Ende zu führen. Der argentinische Arzt, wie Castro Cigarrenraucher aus Leidenschaft, in den ersten Jahren nach der Machtübergreifung Vorsitzender der Nationalbank Kubas, seit 1961 Minister für Industrie, geht die Aufgabe mit Verve an.
Das Buch «We shall call them COHIBA»  von Adargelio Garrido de la Grana hat die Geschichte von Cohiba detailliert nachgezeichnet. Che Guevara wird darin aber mit keinem Wort erwähnt. Es war vielmehr Bienvenido Pérez Salazar, bekannt unter dem Namen Chico, der im Auftrag von Fidel Castro eine Rollerschule für Frauen aufbaute, aus der später die Cohiba-Manufaktur El Laguito hervorging.
»ICH WERDE JETZT etwas über die ›Cohiba‹ erzählen. Irgendwann bemerkte ich, dass einer meiner Leibwächter stets eine sehr aromatische Cigarre rauchte. Er erzählte mir, es sei keine spezielle Marke – er habe sie von einem Freund, der Cigarren mache und ihm immer welche gebe. Ich probierte die Cigarre und fand sie so gut, dass ich sagte: ›Lass uns zu deinem Freund gehen.‹ Wir trafen und fragten ihn, wie er diese Cigarre herstelle. Dann errichteten wir eine Werkstatt in ›El Laguito‹, und er erläuterte uns seine Tabakmischung. So erzählte er uns, welche Blätter von welchen Plantagen er verwendete, welche Deckblätter und so weiter. Wir fanden ein paar Cigarrenmacher, gaben ihnen das nötige Material, und so wurde die Fabrikation aufgenommen.«
Nun zitiert der Autor Fidel Castro höchstpersönlich; das Zitat soll aus einer Rede von Fidel Castro stammen, welche dieser im Cabaret Tropicana im Jahr 1997 anlässlich der 30 Jahr Feier von Cohiba gehalten haben soll. Grossartig, obwohl Castro die Fakten wohl etwas zurecht gebogen hat – sofern er das tatsächlich gesagt hat. Gibt es dafür eine Quelle oder Aufzeichnung? Hier verschenkt der Autor viel, weil er die Karten nicht auf den Tisch legt.
FÜR »REINE FAKTEN« kann man auch »nackte Fakten« sagen. Solche Fakten sind langweilig, da ohne Beiwerk – und wo kein »Beiwerk« ist, kann auch keine Phantasie entstehen. Für eine Marke beziehungsweise ein Produkt ist es stets förderlich, wenn sich hierum Legenden und Geschichten ranken, denn sie machen das Interessante aus, das nicht Greifbare, lassen Träume und Phantasien entstehen – und irgendwann einen Mythos.
Dem Autor wurde wohl selber etwas unheimlich. Trotz dieser nachgereichten Exkulpation habe ich wenig Verständnis dafür, dass man die Geschichte von Cohiba mit erdichteten Anekdoten aufpoliert und als wahr verkauft. Nichts gegen einen poetischen Schreibstil. Aber warum sich nicht einfach auf Fakten stützen und hie und da auch eine Quelle zitieren? Die Geschichte von Cohiba ist derart spannend, dass sie keine Märchen nötig hat.

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