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Der Mann fürs Spezielle

#VERSCHIEDENES #ZIGARREN 8. April 2005


(Bildquelle: NZZ Folio)

Eines meiner ersten wirklich eindrücklichen Smoke-Erlebnisse hatte ich beim Cigarren-Weltrekordhalter. Emil Blümli empfahl mir – ich war damals smoketechnisch noch absolut grün hinter den Ohren – eine gut gelagerte Partagas Lusitanias (aus dem 50er Cabinet selbstverständlich). Die Cigarre hat mich begeistert. Genauso wie die Erzählungen des Meisters von persönlicher Freundschaft mit Zino Davidoff und anderen bekannten Aficionados oder der Tatsache, dass seine Cigarrenkarte im Tabakmuseum in Havanna ausgestellt sei. Kurz: Ein sehr einprägsames Erlebnis, das, Jahre später, unter anderem zum Cigar Blog geführt hat. Jüngst habe ich ein Porträt von Emil Blümli, erschienen im NZZ Folio, wiedergefunden und möchte es nicht vorenthalten. Wer übrigens spezielle oder seltene Cigarren sucht, findet im Grenchener Tausendsassa die ideale Ansprechperson.

Raucherfreuden
Die Cigarren des Emil Blümli

PILZSAMMLER, Jäger, Meisterkoch, Dozent an der Sommelier-Fachschule, weltmeisterlicher Cigarrier: Im Französischen würde man ihn einen maître des délices nennen, ihm persönlich wäre dies aber etwas allzu vornehm. Der Mann heisst Blümli, Emil Blümli, und sein Reich ist das Hotel Krebs in Grenchen, ein nüchterner Kasten aus den fünfziger Jahren. Auch das Interieur ist unspektakulär, so als wollte der Mann seine Schätze – darunter eine der erlesensten Cigarrensammlungen überhaupt – hinter der Fassade provinzieller Normalität verbergen.

Blümlis Leidenschaft für die Cigarre entflammte nach der Kochlehre, als ihm eine Dame eine Davidoff, die schon damals über zwanzig Franken kostete, spendierte. Wie er 1976 mit seiner Frau Alice das Hotel Krebs übernahm, legte er seinen Gästen eine Cigarrenkarte mit 100 verschiedenen Havannas vor. Und er ruhte nicht, bis er die Karte um alles vervollständigt hatte, was in Kuba produziert worden war. Im Ausland, erzählt er, habe er alles zusammengekauft, was er in der Schweiz nicht bekommen konnte. Im Jahre 1998 erschien er mit der grössten Auswahl an kubanischen Cigarren im Guinness-Buch der Rekorde. Die damalige Zahl von 333 ist heute überflügelt; beinahe 400 verschiedene Havannas lagern in seinem Keller. In diesem Keller lagern auch über 900 verschiedene Weine.

An den Wänden hängen gastronomische Auszeichnungen, die andere wohl weit publikumswirksamer placiert hätten. Aber Emil Blümli ist bescheiden geblieben; nach dem Küchendienst höckelt er sich ebenso gerne zu seinen Grenchnern in der Wirtsstube wie zu den Prominenten im Säli.

Blümli, der Zino Davidoff persönlich gekannt hat, legt nicht nur Wert auf Quantität. Die perfekte Konditionierung der Cigarren geht ihm über alles. Zunächst kommen die frischen Kistchen ins Quarantäneschränkchen. Dort herrscht eine Luftfeuchtigkeit von fast 100 Prozent, was vorhandene Tabakkäfer aktiviert und ihre gefürchteten Löcher bohren lässt. Mit dieser Prozedur lässt sich vermeiden, dass der unwillkommene Gast ins Heiligtum gerät, in die Humidorschränke mit dem kostbaren braunen Gold, dessen Wert Blümli auf rund 300 000 Franken schätzt.

Wer annimmt, die Schränke seien aus Wurzelholz gefertigt, irrt. Sie sehen aus wie Putzschränke, weiss und ohne jeden Schmuck; dafür ist das Innenleben umso ausgeklügelter. Der Hohlraum hinter den Cigarrenkisten sorgt bei jedem Öffnen für gute Hinterlüftung, das entmineralisierte Wasser für Geruchlosigkeit bei der Befeuchtung. Der Inhalt schliesslich lässt Aficionados in Ehrfurcht erstarren. Hier finden sich Cigarren aus dem Jahre 1864, die in einem Grundstein in Deutschland versteckt waren, oder eine Kiste von Perfectos aus den dreissiger Jahren, das Stück zu 15 Reichspfennigen. Im Angebot der Cigarrenkarte finden sich legendäre Cigarren wie die Dunhill Havanna-Club, die kubanische Davidoff Dom Pérignon und die äusserst rare Désirée, eine Cigarre, die ein Schweizer in Kuba unter dem Namen seiner Gattin fertigen liess und von der nur 300 Stück in die Schweiz gelangt sein sollen. Dass auch die H. Upmann Sir Winston oder die Quay d’Orsay Impériales nicht fehlen, versteht sich von selbst.

Blümli kann seinen Stolz nicht verhehlen, als er von einer Kubareise berichtet, bei der er seine Cigarrenkarte dem Direktor des Tabakmuseums in Havanna gezeigt habe. Dieser sei dermassen überwältigt gewesen, dass er sie gleich kopiert und im Museum ausgestellt habe. Womöglich ist dies eine Auszeichnung, die den Eintrag ins Guinness-Buch noch übertrifft.

Thomas Brunnschweiler

(Quelle: NZZ Folio)

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