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Kuba

#VERSCHIEDENES #ZIGARREN 25. April 2005

Basisinformation über die Ursprungsländer von Cigarren sollten sich Aficionados meines Erachtens eigentlich aneignen. Wer diese Meinung teilt, findet heute einen ausgezeichneten Artikel über Kubas Volkswirtschaft in der NZZ. Titel: «Neuer Sauerstoff für Kubas Wirtschaft; Dampfkochtöpfe für das Volk – Erdöl für die Nation»: 25. April 2005, Neue Zürcher Zeitung
Neuer Sauerstoff für Kubas Wirtschaft
Dampfkochtöpfe für das Volk – Erdöl für die Nation

Dank gestiegenen Einnahmen aus dem Nickel-Geschäft und jährlich 2 Mio. Touristen geht es Kuba wieder besser. Auch Handels- und Investitionsverträge mit Venezuela und China bringen neuen Schwung in die Wirtschaft. Bei der Vergabe neuer Joint Ventures an ausländische Unternehmen übt die Regierung Zurückhaltung.

bau. Mexiko, im April

Wie in alten Zeiten kam Fidel Castro in Fahrt, als er kürzlich vor den Delegierten der kubanischen Frauenverbände stundenlang über Vor- und Nachteile neu importierter Dampfkochtöpfe und chinesischer Reiskocher schwadronierte und mit Papier und Bleistift vorrechnete, wie viel Energie das 11 Mio. Einwohner zählende Land dank der alt-neuen Kochtechnologie einsparen werde. Unter dem Applaus der Anwesenden verkündete der besorgte Landesvater, man werde über die Rationierungskarte, das heisst zu subventionierten Preisen, insgesamt 5 Mio. neue Kochutensilien verteilen.
Schokolade statt Kaffee

So nebenbei geriet Castro über die Vorzüge des Schokolade-Trinkens ins Schwärmen und lobte dessen heilsame Wirkungen. Er selber ziehe Schokolade dem Kaffee vor. Man sei dabei, mit Venezuela Lieferverträge abzuschliessen, um grosse Mengen von Schokoladepulver nach Kuba zu bringen. Nach den offiziellen, im Wesentlichen von Castro selber getragenen Kampagnen der letzten Jahre für vegetarisches Essen und gegen das Rauchen von Zigarren und Zigaretten will der inzwischen 78 Jahre alte Revolutionsführer nun offenbar dem Kaffee-Trinken, einer aus dem kubanischen Alltag schwer wegzudenkenden Gewohnheit, zu Leibe rücken.

Kuba verfüge über zwei wirtschaftliche Stützen, China und Venezuela; mehr brauche das Land nicht, erklärte Castro. Erst die neuen Allianzen mit den beiden Ländern machen in Kubas notorischer Mangelwirtschaft bisher undenkbaren Luxus wie Kochtöpfe und Schokoladepulver möglich. Ende vergangenen Jahres sind die Wirtschaftsbeziehungen zu Peking und Caracas dank neuen Handels- und Investitionsabkommen intensiviert worden. Die weltanschaulich untermauerte Bruderhilfe aus Venezuela garantiert praktisch unbeschränkten Zugang zu Erdöl, und dies zu Sonderkonditionen und ohne umständliche Bankkredite. Die Annäherung an das rohstoffhungrige China verspricht mittelfristig bedeutende Investitionen für den Ausbau der Nickelindustrie und kurzfristig günstige Importe von Konsumartikeln. Auch zu Brasilien, Argentinien und Uruguay, wo links orientierte Regierungen am Ruder sind, haben sich in letzter Zeit die Wirtschaftskontakte auffallend belebt.
Ende der Notzeit

In den Augen Castros ist die schwere Wirtschaftskrise nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der Auflösung des Ostblocks überwunden, die zum Ausnahmeregime der Sonderperiode in Friedenszeiten führte. Das heisse aber noch lange nicht, dass die Ökonomie dadurch auf gesunde Füsse gestellt worden wäre, kommentieren die Analytiker der Dresdner Bank Lateinamerika. Die Wirtschaft der Karibikinsel bleibe weiterhin schwach. Nachdem Kuba in den neunziger Jahren selektive Liberalisierungsschritte unternommen habe, seien in den letzten Jahren eher Rückschritte in Richtung Zentralisierung zu verzeichnen. So müssten seit Anfang Jahr alle Devisengeschäfte von der Zentralbank genehmigt werden, wodurch die Politisierung der Wirtschaft noch weiter verstärkt werde. Auch für ausländische Unternehmen, die mit kubanischen Staatsunternehmen Joint Ventures eingegangen sind, habe sich das Investitionsklima deutlich verschlechtert, heisst es bei der Dresdner Bank.

Trotz zwei schweren Wirbelstürmen, einer lang andauernden Dürreperiode mit verheerenden Auswirkungen auf die Landwirtschaft sowie einem zeitweiligen Zusammenbruch der Stromversorgung dürfte die kubanische Wirtschaft 2004 leicht gewachsen sein. Bei der Dresdner Bank geht man von einer Zunahme von 2% des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus, die Uno-Wirtschaftskommission für Lateinamerika spricht von 3% und die kubanische Regierung sogar von 5%. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Kuba für die Errechnung des BIP erstmals eine eigene, nicht im Detail offengelegte Methode eingeführt hat, die einen Vergleich mit den Wirtschaftsstatistiken der übrigen Welt verunmöglicht. Laut José Luís Rodríguez, dem kubanischen Wirtschafts- und Planungsminister, betrug das BIP letztes Jahr 36,4 Mrd. Pesos. Die Berechnung beruhe auf Preisen für Dienstleistungen, wie sie in Marktwirtschaften üblich seien, sagte der Minister. Bei einer früheren Gelegenheit hatte Rodríguez erklärt, die gängige Berechnungsmethode für das BIP sei auf «neoliberale Marktwirtschaften» zugeschnitten und nicht dazu geeignet, die sozialen Errungenschaften eines Landes zu messen. So sei es möglich, dass das BIP wachse, die sozioökonomische Situation der Menschen sich aber verschlechtere und die Armut zunehme.
Nickel und Touristen

Laut offiziellen Angaben haben die Exporte 2004 um knapp einen Drittel zugenommen, während die Importe lediglich um 14% stiegen. Der Sprung bei den Exporteinnahmen geht im Wesentlichen auf höhere Weltmarktpreise für Nickel und auf eine um 7,5% höhere Nickelförderung zurück. Bei den Einfuhren schlagen die höheren Erdölpreise und mehr Nahrungsmittelimporte – in verstärktem Mass aus den USA – zu Buch. Erfreulich entwickelte sich die Tourismusbranche. Erstmals wurden etwas mehr als 2 Mio. Gäste gezählt, 7,6% mehr als 2003. Dank den Einnahmen aus dem Tourismus (2 Mrd. $) und den Überweisungen von Familienangehörigen in den USA (1 Mrd. $) konnte der Devisenhaushalt einigermassen im Gleichgewicht gehalten werden. Dieses Jahr soll laut Castro der Wohnungsbau verdoppelt und der veraltete Bestand von Lokomotiven und Autobussen erneuert werden. Bis im Jahr 2006 will man auch das chronische Elektrizitätsdefizit behoben haben. Dazu beitragen soll der Bau einer thermoelektrischen Anlage mit venezolanischem Kapital in der westlich von Havanna gelegenen Hafenstadt Mariel. – Äusserst zugeknöpft zeigen sich die kubanischen Behörden, was die Entwicklung der Auslandsinvestitionen angeht. Im zuständigen Ministerium gibt man zu, dass die Zahl der Joint Ventures mit ausländischen Partnern von etwa 400 auf dem Höhepunkt Ende der neunziger Jahre auf heute 313 gesunken ist. Kuba sei im Vergleich mit der Startphase des gemischtwirtschaftlichen Investitionsmodells viel selektiver geworden, was die Zulassung neuer Geschäfte mit Unternehmen aus dem Ausland angehe, heisst es im Ministerium. Bis Ende Jahr werde man alle Sektoren der Wirtschaft überprüfen und bestimmen, welche neuen Projekte förderungswürdig seien. Eine Vorzugsbehandlung für künftige Auslandsinvestitionen verdienten die Entwicklung des Erdölsektors (u. a. Explorationen im Golf von Mexiko), der Nickel- und Kupferbergbau, die Stromproduktion sowie neue Tourismusprojekte in den östlichen Provinzen von Holguín und Ciego de Avila. Ganz oben auf der Prioritätenliste stehen der Bau des Tiefseehafens von Mariel – er soll Havanna als Frachthafen ablösen – und ein neuer Containerhafen in Santiago de Cuba.

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