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Zigarrenkäfer

#VERSCHIEDENES #ZIGARREN 18. August 2005

Gott sei Dank, ich hatte noch nie einen. Und ich hoffe, mein Humidor bleibt zigarrenkäferfrei. Wenn man dem «Cigar Calendarium 2005 – Das Jahrbuch für den Connaisseur» glaubt, hatte ich bisher viel Glück. Am Ende der entsprechenden Amazon-Seite ist ein Buchausschnitt zum Thema angefügt, der u.a. folgende Passage enthält:

«Der Cigarrenhändler, der sagt, in seinen Beständen existierten keine Käfer, der weiß es nicht besser oder will es nicht besser wissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er bereits welche weiterverkauft hat, ist jedenfalls sehr groß.»

Nun, ich bin da nicht ganz so skeptisch. Wer den ganzen (sehr ausführlichen) Beitrag inklusive Wiederherstellungsanweisung für befallene Cigarren lesen will, findet ihn nachfolgend:
Zunächst einmal möchte ich hier meine persönlichen Anmerkungen loswerden.
In diesem Bericht mag der Eindruck entstehen, dass ausschließlich Cigarren cubanischer Herkunft von Käfern befallen werden. Das liegt in erster Linie daran, dass ich praktisch zu einhundert Prozent Havannas rauche, also mit Cigarren anderer Herkunft diesbezüglich keine Erfahrung machen konnte. Von Raucherkollegen weiß ich jedoch, dass diese verflixten Viecher, von denen hier die Rede ist, nicht nur Havannas mögen …

Der Cigarrenhändler, der sagt, in seinen Beständen existierten keine Käfer, der weiß es nicht besser oder will es nicht besser wissen. Die Wahrscheinlichkeit, dass er bereits welche weiterverkauft hat, ist jedenfalls sehr groß. Hat sein Geschäft einen schnellen Umschlag, wird er – wenn überhaupt – vermutlich nur sehr selten selbst welche sehen.
Bei meinen häufig besuchten Lieblingshändlern bekam ich folgende Auskünfte:

– Der erste, gleich in meiner Nähe: »Na klar, kommt schon mal vor. Meistens gehen die an die starken und aromatisierten Tabake. Ich habe draußen welche liegen; die gehen wieder zurück zum Großhandel. Willst du die mal sehen?« Na klar wollte ich! Was für eine Frage! Das war die Gelegenheit! Die Cigarren durfte ich nicht mitnehmen, wohl aber die befallenen Cigarillos.
Als Anschauungsobjekte waren die perfekt. Nachdem ich die Cigarillos samt den Käfern in flüssigen Stickstoff getaucht hatte und sicher sein konnte, dass keiner mehr am leben war, konnte ich die Objekte dann bei einem Partytag vorführen (Partytag: regelmäßige Veranstaltung des Cigarrenclubs). Bisher kannte ich Käfer nur vom Hörensagen und von dürftigen Bildern aus dem World Wide Web.
Dieser Händler zeigte mir auch den äußerst zuverlässigen »Klopftest«. Mit ihm lässt sich sehr gut feststellen, ob ein Käfer am Werk ist, auch wenn kein Loch im Deckblatt zu sehen ist. Erkläre ich später noch …

– Der zweite, auch in meiner Nähe: »Neeeee, noch nieeeee!!!« Bis zu dem Tag, als ich ihn in seinem begehbaren Klimaraum auf eine halbe Kiste ›Bolívar‹ mit Käferbefall aufmerksam machte. Zwei Stück waren bereits von den Käfern zu Blockflöten »umgearbeitet« worden. Es war ihm sichtlich peinlich. Laut seiner Aussage seien das die einzigen bis jetzt gewesen. Ich will das mal glauben.
Er erzählte mir aber von einem Händlerkollegen, der einen Schaden von 50.000 Euro davongetragen hatte. Der betreffende Kollege hatte seine Cigarrenbestände längere Zeit nicht kontrolliert.

– Der dritte, etwas weiter weg: »Wenn ich ehrlich sein muss, ja. Passiert schon mal. Ist aber nicht mehr so häufig wie früher. Die gehen gerne an …« Ja, ja, ich weiß.

– Der vierte, weiter weg und sehr angesehen: »Nein, bei uns noch nie!« Wunderbar! Da gehe ich jetzt immer einkaufen. Kann ja nichts passieren. Ist ein riesengroßer begehbarer Klimaraum. Da kann wirklich nichts passieren! Wenn, ja wenn da nicht die leere Kiste ›Partagás‹ gewesen wäre, die ich für einen gespendeten Euro erstanden habe. In einer Ecke, von Tabakresten leicht verdeckt, ein Käfer. Lebendig! Da er wegfliegen wollte und ich in Panik verfiel, ist er zwischen meinen Händen geendet. Das war übrigens der erste Tote in einem nicht enden wollenden Krieg …

Ich gestehe den Händlern sicherlich zu, dass bei ihrer optimalen Lagerung und entsprechend »kalter« Klimatisierung die Gefahr einer Eierentwicklung und somit geschlüpfter Larven sehr gering ist. Aber sobald die Stumpen zu Hause im Humidor liegen, hört es schon mal mit den niedrigen Temperaturen auf. Seien wir mal ehrlich: Wirklich optimale Bedingungen haben die wenigsten zu Hause. Also kaufen wir im Grunde genommen die »Katze im Sack«, sprich die »Käfereier in der Cigarre«. Und bei unserer notgedrungen unsachgemäßen Lagerung haben die kleinen Fieslinge dann freie Bahn.
Es liegt in der Natur der Sache, dass die Händler auf diesem Gebiet nicht ganz sooo auskunftsfreudig sind. Denn wer würde schon bei einem solch »verkommenen« Händler einkaufen, der unumwunden zugibt, auch von Käfern bestückte Cigarren im unfreiwilligen Angebot zu haben?! Ja richtig! Ich würde da kaufen! Alleine schon deshalb, weil mal einer ehrlich wäre und sagen würde, was Sache sei.

Es hilft eben alles nichts: Tabak ist ein Naturprodukt. Wenn ich einen Salatkopf kaufe, in dem noch eine Schnecke »wohnt«, mache ich beim nächsten Salatkauf ja auch keinen Bogen um das betreffende Lebensmittelgeschäft oder um den Marktstand des jeweiligen Gemüsehändlers.

Also, Aficionadas und Aficionados: Seid nicht sofort verschreckt, wenn euch mal ein Käferchen in die Hände fällt. Das ist zwar ungemein ärgerlich, aber es lässt sich nicht wirklich hundertprozentig verhindern.

Meine Käferplage oder Das Grauen beginnt

Alles begann Mitte 2002. Eines Abends wollte ich mit meiner Frau ausgehen und zog Schublade für Schublade aus meinem kleinen, dennoch wohlbestückten Humidorschränkchen.
Was sah ich da plötzlich! Ein Loch in einer Cigarre, und zwar da, wo es nicht hingehörte. Vorsichtig entnahm ich die befallene Cigarre und betrachtete das Unheil. Direkt daneben dasselbe Problem. So ein Mist! Warum auch ich? Ich habe doch nichts getan! Die Sache vor ein paar Wochen mit dem geendeten Käfer aus der Kiste war doch nur ein Unfall … Da ich schon im Mantel war, schnappte ich mir schnell eine ›Montecristo Nr.2‹, ehe wir uns auf den Weg machten.

Der Abend war für mich »gelaufen«. Ständig musste ich an die kleinen Plagegeister denken, die jetzt sicherlich eine Fressparty nach der anderen in und mit meinen Cigarren veranstalteten. So ein Mist! Waaaaarum???
Wieder zu Hause angekommen – es war in den frühen Morgenstunden –, hatte ich natürlich nichts Besseres zu tun, als an allen Cigarren den »Klopftest« durchzuführen.

Der Klopftest

Einfach und sehr wirkungsvoll. Da die meisten Käfer ihre Eier im vorderen offenen Bereich der Cigarre ablegen oder auch selbst diesen leichten Einstieg bevorzugen, fressen sich die Larven bzw. die Käfer dann auch von dort aus weiter ins Innere der Cigarre durch.
Doch genug der Vorrede bzw. der Erklärungen. Es folgt die Beschreibung des Klopftests …

– Ein weißes Blatt Papier auf eine feste, leicht federnde Unterlage legen. Zeitung oder Illustrierte schonen das Deckblatt. Es funktioniert aber auch auf einem harten Untergrund.
– Die Cigarre aus vier bis fünf Centimetern Höhe auf das weiße Blatt fallen lassen. Ruhig öfters. Dabei die Cigarre mit den Fingern so führen, dass der Kopf genau senkrecht auf dem Papier aufkommt. Das ist wichtig, da ansonsten das Deckblatt um den Bereich des Cigarrenkopfs angerissen wird bzw. beschädigt werden kann.
– Nun schauen, was vorne herausrieselt. Sind es einzelne unförmige Tabakkrümel, ist alles in Ordnung. Speziell bei Shortfillern krümelt es ganz ordentlich. Rieselt aber vorne so etwas Ähnliches wie fein gemahlener Kaffee heraus, ist Vorsicht geboten. Das ist dann Käferkot. Die Käferkotkrümel sind gleich groß und haben nahezu dieselbe Form. Die Wahrscheinlichkeit, dass dort ein Käfer bzw. eine Larve mit umgebundener Serviette sitzt und sich den Tabak schmecken lässt, ist sehr groß.
Soweit der simple Klopftest. Bei meinem Klopftest konnte ich insgesamt vier weitere befallene Cigarren identifizieren. Zusätzlich fand ich noch drei »Blockflöten«. Auch die rieselten vorn und an den Löchern.

Das Frosten im »feuchten« Kühlschrank

Am nächsten Tag ging es richtig los. Mich interessierte, wie wohnen, leben, arbeiten und, vor allem, wie vermehren sich die kleinen geselligen Kumpels.
Also das WWW »befragt«. So richtig gute Antworten, die in die Feinheiten gehen, gab es da leider nicht auszumachen. Auch aussagekräftige Bilder waren kaum zu finden. Keine Photos von Eiern, auch keine von Larven. Schließlich: Am häufigsten wurde das Einfrieren der Cigarren empfohlen.
Tja! So richtig war ich jetzt immer noch nicht weiter, aber der beste Vorschlag war meines Erachtens immer noch das Frosten. Also einfrieren im Kühlschrank oder im professionellen Froster. – Und so habe ich es anfänglich gemacht:
– Cigarren sortenrein in Gefrierbeutel verpacken. Dabei so viel Luft wie möglich aus den Gefrierbeuteln heraussaugen und möglichst luftdicht verschließen. Der Profi hat eine Vakuumpumpe, während der Amateur selbst Hand bzw. Mund anlegen muss. Als besonders geeignet haben sich hierbei die ›Toppits‹-Gefrierbeutel mit den dazu gehörenden Klipps gezeigt.
– Den mit Cigarren gefüllten Beutel oben zusammenraffen und gleichzeitig schon mal den Klipp locker um die geraffte Stelle des Beutels legen. Wenn genug Luft aus dem Beutel gesogen ist, noch während des Saugens den Klipp verschließen. Fertig!
– Gefrierbeutel für mindestens eine Woche ab in das Eisfach des Kühlschranks. Die Beutel mit den Cigarren an eine Stelle des Eisfachs legen, an der sonst wenig »Bewegung« ist. Auf keinen Fall etwas Schweres auf die Cigarren legen. Grundsätzlich gilt: je kälter, desto besser. – Genaue Gradangaben sind auf Seite * zu finden.
– Nach der Woche die Stumpen langsam (!) im normalen Kühlschrank auftauen. Ein bis zwei Tage reichen. Danach nochmals ein bis zwei Tage die Cigarren im Gefrierbeutel ruhen lassen. Schließlich ab in den sorgfältig kontrollierten Humidor.
– Nach drei bis vier Tagen sollten die Cigarren wieder so sein wie vorher. Nur eben mit erfrorenen Käferleichen darin.

Diese Vorgehensweise – einfrieren, langsam abtauen, ruhen lassen, »gut zusprechen«, »streicheln« und so weiter habe ich mir auf verschiedenen Homepages »angelesen« und nur noch der Vollständigkeit halber erwähnt.
Eigene Versuche haben gezeigt, dass Cigarren robuster sind, als gemeinhin angenommen. Sogar wenn die Stumpen direkt aus dem Eisfach kommen. Übrigens auch geschmacklich. Das lässt sich einfach mit der geringen Masse der Cigarre erklären. Dadurch erfolgt die Wärmeaufnahme genau wie die Kälteaufnahme relativ schnell. So ist das aufwendige Auftauen mit Zwischenlagerung im normalen Kühlfach überflüssig und lässt sich wohl in erster Linie mit dem Wort »Kult« umschreiben.

Wer mich jetzt der »Cigarrenlästerung« bezichtigt und doch deutliche Geschmacksunterschiede bei der »express« aufgetauten Cigarre feststellt, soll es dann eben so machen wie immer. Schaden wird es wohl kaum.
Es reicht völlig aus, die Stumpen zehn bis zwanzig Minuten bei Zimmertemperatur im Beutel oder in der Kiste liegen zu lassen, bevor sie wieder eingelagert werden.

Interessant in diesem Zusammenhang: Bei Versuchen habe ich mehrfach Cigarren (überwiegend ›Montecristo Nr.2‹ und ›Partagás Serie D Nr.4‹) »direkt aus dem Eisfach« geraucht und sowohl geschmacklich als auch vom Abbrandverhalten her eher positive Unterschiede festgestellt. Andere Testraucher sind ebenfalls zu diesem Ergebnis gekommen. Das Aroma war anfänglich sogar etwas intensiver, da der Rauch kühler ist. Auch der Abbrand gestaltete sich perfekt, vermutlich wohl deshalb, weil die Feuchtigkeit in der Cigarre durch das Frosten gleichmäßig verteilt wird.
Anmerkung: Diese Versuche sind ausschließlich mit größeren Formaten durchgeführt worden.

Das Frosten im »trockenen« Kühlschrank

Hier erleichtert die trockene Kälte den Gefrierprozess erheblich. Die Cigarren werden einfach mit ihrer Kiste in das Eisfach gelegt. Solche Kühlschränke (die im übrigen nicht abgetaut zu werden brauchen) sind überwiegend mit leistungsstarken Kältekompressoren ausgestattet, durch die es möglich ist, die jeweilige aktuelle Temperatur in kurzer Zeit runterzufahren.

Vier Tage bei minus 20 Grad Celsius reichen völlig aus. Da die Masse der zu frostenden Cigarren relativ klein ist, ist bei dieser Vorgehensweise eine schnelle Durchfrostung auch des Inneren der Stumpen gewährleistet. Nach besagten vier Tagen einfach die Cigarren aus dem Eisfach nehmen – und die »Prozedur« ist auch schon beendet.

Die meisten Käfer und deren Larven sind bereits nach wenigen Stunden tot. Aber eben nur die meisten. Es gibt aber Larven, die in der Lage sind, einen eigenen Frostschutz für besonders kalte Tage zu produzieren – ein Schutzmechanismus der Natur, die einigen Larven das Überleben sichern soll (und auch tatsächlich sichert). Gut für die Käferpopulation, schlecht für uns.
Dieser natürliche Schutzmechanismus erklärt auch, warum immer mal wieder Käfer selbst in erstklassiger Ware vorkommen, und zwar auch von Importeuren, von denen bekannt ist, ihre Lieferungen gewissenhaft und mit der nötigen Sorgfalt gegen Schädlinge zu behandeln, indem sie die Cigarren bei Tiefsttemperaturen frosten.

Dieses Problem wäre einfach zu beheben, indem die Temperaturen weiter abgesenkt würden. Das hätte zur Folge, dass auch die Kisten (oder auch die Rohtabake), die in der Mitte auf einer Palette liegen, schnell gefrieren und der Larve somit die Zeit genommen wird, »Frostschutz« zu bilden. Das wird jedoch aus Kostengründen nicht gemacht. Denn genauso wie »Wärme« kostet auch »Kälte« Geld. Und je mehr Grad, desto teurer wird das Ganze (was sich natürlich auch auf den Endpreis der Cigarren auswirken würde).

Humidor-Vorbereitung

Im Idealfall kann der ganze Humidor gefrostet werden (am besten mit trockener Kälte und in einer großen Plastiktüte). Sollte das nicht möglich sein – was wohl meistens der Fall sein wird –, den Humidor peinlich genau auf alles Ungewöhnliche kontrollieren. Eventuell mit einem leicht feuchten neuen (!) Spültuch auswischen. Schubladen und sonstiges Zubehör, das im Humidor aufbewahrt wird, nicht vergessen und hinterher alles mit einer starken Lichtquelle ausleuchten. – Achtung! Speziell die Käfereier sind kaum in den Ecken und Ritzen des Humidors auszumachen.

Um auf Nummer Sicher zu gehen, habe ich die unzugänglichen Ecken des Humidors mit einer spitzen, scharfen Flamme kurz (!) und vorsichtig (!) ausgebrannt. Hierfür eignet sich hervorragend jener martialisch anmutende Apparat, den ich zum Anzünden meiner Cigarren benutze (und mit dem zahlreiche Hobbyköche ihrer ›Crème brûlée‹ den letzten Schliff geben). Wichtig: Das Holz darf nicht brennen. Es geht dabei nur um die Hitze.
Der Befeuchter sollte mit ins Eisfach. Ist das nicht möglich, unbedingt versuchen, in den Befeuchter zu schauen. Auch hier können sich Eier befinden, da das Ei selbst keinen Tabak zur Entwicklung benötigt.

Die Ruhe vor dem Sturm

Nach dieser Prozedur hatte ich erst mal lange Zeit Ruhe. Bis Anfang 2003. Mal wieder nach langer Zeit alle Cigarren umgelagert und einem Klopftest unterzogen.
Hilfe!!! Warum ich? Waaaaaruuuuum???
Dieses Mal tat es richtig weh – unter anderem ›Cohiba‹, ›Bolívar‹, ›Montecristo‹ (inklusive zweier ›A‹) und ›Partagás‹.. Jetzt wollte – und musste – ich der Sache richtig auf den Grund gehen …
Informationen von Profis in Sachen Käfer Uni Dortmund angerufen. »Häää, Tabakkäfer? Nie gehört!« Das ist ja fast wie beim Cigarrenhändler. »In Hamburg, im Tropeninstitut, da sitzen vielleicht die richtigen Experten für so was.« Na also, geht doch!
Tropeninstitut in Hamburg: »Neee, ganz falsch! Mit dem Zeugs haben wir hier nichts zu tun. Nur wenn sie von den Käfern gebissen worden sind. – Sind Sie? – Nein? – Dann Uni Hamburg, Professor Abraham. Das ist der richtige Mann für so was.« Na also, geht doch!? Dieses Mal musste es klappen.
Uni Hamburg nach mehreren Versuchen bei verschiedenen Stellen: »Ja, da kann ich ihnen helfen. Worum geht es denn? Ach sooo, Käferbekämpfung. Neee, da kann ich Ihnen auch nicht weiterhelfen. Aber im ›Institut für Hygiene und Umwelt‹, da sitzt der richtige Mann für Ihr Problem. Herr Dr. Sellenschlo, der raucht auch selber Cigarren.« Aha! Kein Professor, sondern ein Cigarre rauchender »Arzt« soll mir helfen können, also fast so ein Mensch aus Fleisch und Blut wie ich. Na ja …
Also weiter telephoniert: »Institut für Hygiene und Umwelt der Stadt Hamburg. Was-kann-ich-für-Sie-tun? – Kleinen Augenblick bitte! Ich verbinde sie mit Herrn Dr. Sellenschlo!« … »Aha! Käfer in Cigarren … Hmm … Ja, ja, ist ein großes Problem.« Der Mann scheint offensichtlich Bescheid zu wissen …
Nach einem langem, sehr interessanten Gespräch und dreißig gelesenen Faxseiten ist Folgendes herausgekommen: Das Institut ist Kunde der ›Linde AG‹ und hat einen großen Stickstofftank zur Probensicherung und Frostung in seinen Räumen stehen. Betreut wird der Kunde – und das war perfekt – von meinem Hamburger Arbeitskollegen und Logenbruder Nr. 21 (Logenbruder: Mitglied des Cigarrenclubs; Anmerkung des Herausgebers). Da Dr. Sellenschlo selber kein digitales Bild von einem Käferei hatte, konnte ich mich revanchierend bedanken und ihm auf diesem Wege helfen. Nr. 21 hat eine CD mit den von mir photographierten Käferbildern gebrannt und im Institut persönlich abgegeben. Dank an die Nr. 21!

Und nun das wirklich wesentliche: Besagter Käfer ist sehr robust und hat Flügel zur Fortbewegung. Er gehört zur Gruppe der Nagekäfer (wie zum Beispiel auch der Holzwurm). Käfereier sind noch robuster. Käfer wie auch Larven fühlen sich sehr wohl im Temperaturbereich ab 20 Grad Celsius bis maximal 37 Grad Celsius. Des weiteren braucht der Käfer in seinem »Essen« mindestens 10 Prozent Feuchte. Optimale Bedingungen findet das Tierchen vor, wenn es 32 bis 35 Grad Celsius warm ist und 70 bis 75 Prozent relative Luftfeuchte herrschen. Da würden sich die kleinen Kameraden vermehren wie die Karnickel. Bis zu sieben Generationen brächten sie dann pro Jahr hervor. Na super!

Es folgen die »Bekämpfungsvorschriften«, wie sie mir von den Profis übermittelt worden sind:
– 6 Stunden bei plus 60 Grad Celsius. Klasse! Die Cigarre, die das überlebt, möchte ich aber nicht mehr rauchen …
– 16 Tage bei plus 2 Grad Celsius. Hört sich schon besser an – aber was für ein langer Zeitraum!
– 7 Tage bei minus 4 Grad Celsius. Hört sich noch besser an. Jetzt wird es langsam interessant …
– 4 Tage bei minus 20 Grad Celsius. Na also, wer sagt’s denn?! Das ist doch akzeptabel!
Der Wermutstropfen bei der ganzen Sache: Die Käfereier halten sich auch bei schlechten Rahmenbedingungen sehr lange – und das ist das eigentliche Problem.

Anmerkung am Rande: Danach habe ich auch noch den zuständigen Labormann jenes Cigarettenherstellers angerufen, dessen Telephonnummer man mir während meiner Recherchen gegeben hatte. Die erhaltene Auskunft war die gleiche.

Im Dienste der Wissenschaft

Also begann ich mit meiner Arbeit. Erst mal alle Käfer aus dem Humidor einsammeln. Gestaltet sich schwerer, als man denkt, denn die kleinen Kameraden tarnen sich gut und sind auf dem Tabak kaum zu erkennen. Außerdem stellen sie sich bei der geringsten Unruhe tot (bis zu fünf Minuten). Danach habe ich noch verschiedene Cigarren abgewickelt, um auch dort Käfer und Larven zu finden.
Alle schön gesammelt und mit Namen versehen. Es geht doch nichts über eine persönliche Ansprache! Die Tests konnten also beginnen …

Die Mikrowellenbestrahlung

Diese Art der Käferbekämpfung ist sehr mühsam und lediglich für kleine Cigarrenbestände geeignet, da es besser ist, nur die einzelnen Cigarren zu behandeln. Wichtig: Danach sollte für jede einzelne Cigarre ein Tubo zur Verfügung stehen …
– Cigarre in die Mikrowelle legen. – Achtung: Verschiedene Cigarrenringe schlagen Funken!
– Mikrowelle auf circa 600 Watt einstellen und starten. Jetzt genau beobachten! Sobald die Cigarre anfängt, kräftig auszugasen (je nach Format 10 bis 25 Sekunden), die Mikrowelle aufmachen, dann die mitunter sehr heiße Cigarre sofort in den vorbereiteten Tubo stecken und verschließen. Das Ganze sollte so schnell wie möglich vonstatten gehen, da ansonsten das Aroma der Cigarren »flöten geht« und die Stumpen nur noch wie »Teebeutel auf Urlaub« schmecken. Außerdem stinken viele Cigarren ganz erbärmlich beim Ausgasen. Ich musste dabei meinen Würgereiz stark unterdrücken.
– Den Tubo mit der Cigarre einen Tag ruhen lassen. Danach die Cigarre zur Feuchtigkeitsaufnahme wieder in den Humidor legen, weil sie selbst bei nur kurzem Aufenthalt in der Mikrowelle sehr viel an Feuchtigkeit verliert.
Den Schlaubergern, die meinen, das Ganze lässt sich auch mit Hilfe eines Gefrierbeutels durchführen, sei gesagt: »Nein, lässt es sich nicht.« Der verschlossene Beutel droht zu platzen. Platzt er nicht, ist es zunächst einmal verwunderlich, wieviel an Wasser(dampf) in der Cigarre ist. Das Wasser setzt sich dann im unteren Teil des Beutels ab. In diesem Wasser liegen dann die Stumpen, und es lösen sich gekonnt die Deckblätter ab. Ein echtes Trauerspiel!

Am Rande sei erwähnt, dass ich zur Probe einen einzelnen Käfer (Ernesto) auf einem Blatt Papier insgesamt über acht Minuten mit 600 Watt bestrahlt habe. Da in den Käfern nur sehr wenig Wasser erhalten ist, hat er diese Folter fröhlich überlebt, ohne auch nur ansatzweise »in den Schweiß« gekommen zu sein. Dagegen platzte eine Larve bereits nach wenigen Sekunden.

Das todbringende an der Mikrowelle ist die Temperatur, die durch das Wasser in der Cigarre entsteht. Ab einer gewissen Temperatur (61,5 Grad Celsius) gerinnt das in dem Käfer enthaltene Eiweiß. Das ist es dann. Auch bei Larven und Eiern …

Das Sehr-sehr-tief-Frosten (mit flüssigem Stickstoff bei minus 193 Grad Celsius)

Diese Art wird von mir nur am Rande behandelt, da nicht jeder so wie ich die Möglichkeit hat, sich mal eben eine Kanne flüssigen Stickstoffs abzufüllen. Und so geht es: Cigarren im Gefrierbeutel mit so wenig Luft wie möglich verpacken. Danach die Beutel in den Stickstoff eintauchen und warten, bis es nicht mehr »sprudelt«. – Die ›Melitta Toppits‹ haben sich auch hierbei bewährt, da sie bei sehr niedrigen Temperaturen nicht verspröden und brechen. Wieder herausnehmen. Eine Stunde liegen lassen. Fertig.
Das schnelle Schockgefrieren ist hierbei wohl die schonendste, aber auch aufwendigste Variante. Beim Schockgefrieren fehlt dem Wasser die nötige »Zeit«, um lange Eiskristalle auszubilden. Dadurch werden die mit Wasser gefüllten Zellen im Tabak nicht zum Platzen gebracht bzw. nicht durch die langen Eiskristalle durchstoßen. Ob der geübte Cigarrenraucher einen geschmacklichen Unterschied feststellen kann, vermag ich nicht zu sagen. Ich schmeckte jedenfalls keinen.

Wichtig: Unbedingt Sicherheitshinweise im Umgang mit tiefkalt verflüssigtem Stickstoff beachten. Nicht mit der Hand reingreifen und so weiter …
Das Begasen mit Co2 oder Kohlendioxyd oder Kohlensäure oder Trockeneis (ist alles das gleiche)

Das Begasen mit Co2 ist bei der Möbelrestauration bekannt. Hier gibt es teilweise große Kammern, in denen von Holzwürmern befallene Möbelstücke »todsicher« begast werden. Wer es wagen möchte, kann seinen Humidor samt Cigarren im nächst größeren Museum abgeben und auf einen verständnisvollen Hausmeister hoffen.

Die Lebensmitteltechniker, mit denen ich gesprochen habe, raten davon ab. Das Co2 bindet sich mit dem Wasser in der Cigarre und könnte zu Geschmacksveränderungen führen. So jedenfalls die Fachleute, die ich befragt habe. Darunter war aber kein Cigarrenraucher.
Eine weitere Anwendung wäre das Tiefkühlen mit Trockeneis bzw. mit Trockeneispellets in einer Kühlbox (Vorgehensweise siehe weiter oben unter ›Das Frosten‹, Seite *). Im übrigen fallen mir noch weitere Beseitigungsarten wie »Das Zerquetschen mit Gegenständen« und »Das-auf-der-Flucht-Erschlagen« ein. Die Effizienz dieser Arten lässt aber stark zu wünschen übrig und trifft nur die sichtbaren Käfer und Larven.

Das Begasen mit Phosphorwasserstoff

Finger weg! Diese Art der Begasung ist bei unsachgemäßer Handhabung nicht nur für den Käfer tödlich – abgesehen davon, dass die Beschaffung dieses toxischen Gases für Otto Normalraucher sehr schwierig ist. Bei der Handhabung ist einiges zu beachten (so etwa Auslüftzeiten).
Die Tabakballen im Hamburger Hafen werden beispielsweise mit Phosphorwasserstoff begast. Bei sehr warmen Wetter führt das aber dazu, dass das Gas kaum aus den Containern rauszubekommen ist und sich keiner traut, die Container zu entladen.
Früher wurde anstatt Phosphorwasserstoff auch Methylbromit genommen. Ist aber noch problematischer in der Handhabung.

Schlussbemerkungen

Eine hundertprozentige Sicherheit vor dem Getier gibt es nicht. Im schlimmsten Fall kauft der Aficionado mit seinen Cigarren eben auch Käfer oder Larven oder Eier mit ein – selbst wenn der Händler des Vertrauens dieses nachdrücklich bestreitet. Und noch etwas: Eingeschleppt werden können die Plagegeister unter anderem in Büchern, Kokosmatten und Polstermöbeln, in Erdnüssen, Gewürzen, Heilkräutern und in Trockenfutter (Quelle: ›Institut für Hygiene und Umwelt der Stadt Hamburg‹, Dr. Udo Sellenschlo, Gerhard Penner).

Mit Sicherheit helfen ständige Sichtkontrolle, kühle Aufbewahrung, häufiges Lüften, öfteres Umlagern. Wer aber ganz sicher gehen möchte, frostet vorsorglich alle (!) erworbenen Cigarren wie oben beschrieben ein. Ich mache das jedenfalls so, und auch der sehr, sehr heiße Sommer 2003 hat mich ruhig schlafen lassen.

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